Geht doch: mal richtig durchatmen

ROT: Erholt und braungebrannt. Da werde ich glatt neidisch.

WEISS: Danke! Du wirkst ausgepowert und kaputt - ein Bild des Jammers!

ROT: Stimmt. Ich brauche dringend Erholung.

WEISS: Es scheint, dass Urlaubsreife etwas spezifisch Menschliches ist. In der freien Natur sind Erholungsreisen unüblich.

ROT: Nach der Jagd sieht ein Löwe auch ziemlich ausgelutscht aus. Dem begegnet er sogleich mit einem Mittagsschläfchen. Danach ist er wieder fit.

WEISS: Wir dagegen leben, als würden wir ständig die Luft einhalten und vergessen auszuatmen...

ROT: ...und laufen so ständig mit hochrotem Kopf durch die Gegend. Richtig Durchatmen erlauben wir uns dann erst im Urlaub.

Goethe

WEISS: Durch unsere Arbeitskultur haben wir quasi verlernt zu atmen. Schon Goethe erkannte darin das Allegorische:

Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
Die Luft einzuziehn, sich ihrer entladen;
Jenes bedrängt; dieses erfrischt;
So wunderbar ist das Leben gemischt.
Du danke Gott, wenn er dich preßt,
Und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt.

ROT: Auf die Dauer ist Atmen doch wohl eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Wie bleibt das Leben aufregend?

WEISS: Nicht das Leben passt sich einem gleichmäßigem Atmen an, sondern das Atmen dem Leben. Entscheidend dabei ist, den zum eigenen Leben passenden "Atemrhythmus" zu finden. "Luftanhalten" ist dabei keine Option und führt auf Dauer zum Kollaps.

ROT: Jetzt mal praktisch - Deine Empfehlung für ein entspanntes und braungebranntes Dasein?

WEISS: Mehr Arbeit bei offenem Fenster mit regelmäßigen Erholungspausen und Ausgleichsaktivitäten.

ROT: Also nie wieder in den Urlaub fahren?

WEISS: Aber ja doch - allerdings nicht zum Ausatmen, sondern um neue Erfahrungen zu machen, die den Alltag bereichern. Übrigens ist Urlaub der Wortbedeutung nach die Erlaubnis des Brotherren, seinen Lebensumkreis zu verlassen und sich temporär anderweitig umzutun.

ROT: Na - dann bin ich jetzt mal weg...

Lasst's Euch schmecken! (Gebt gerne Euren Senf dazu.)
LG Ralf & Thomas

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Ich sitze hier und schwitze – und atme mal so richtig durch. Und keiner will es laut aussprechen: mit jedem Atemzug stossen wir Menschen das Treibhausgas Kohlendioxid aus. Der Anteil unserer Atmung an der Treibhausgas-Emission beträgt fast 10%.

Aber ich setze mich gleich in mein Auto und gebe ordentlich Gas – dann sinkt der Anteil meiner Atmung am gesamten Kohlendioxidausstoss….

Atmen ist eine langweilige Angelegenheit? Das gilt vielleicht für das Ventilieren, diese monotone vegetative Körperfunktion, die für einen regelmäßigen Gasaustausch in der Lunge sorgt.

Obwohl – in einigen Nächten lauscht meine Frau meinen Ventilierungs-geräuschen voller Emotionen – und manchmal wache ich dann mit einem Kissen im Gesicht auf.

Aber genau dann wird es spannend: mein Überlebensinstinkt hat mich geweckt und atemlos flüchte ich vor dem Kissen. Gierig atme ich frische Luft ein, die hoffentlich nicht nur meine Lunge sondern auch mein Gehirn durchlüftet. Dann stockt mein Atem als ich erkenne wer mir das Kissen ins Gesicht gepresst hat. Ich stoße einen Schrei des Entsetzens aus. Aber dann bin ich einfach nur froh, dass ich mein Leben doch noch nicht ausgehaucht habe. Vor Freude beginne ich hemmungslos zu Lachen – bis ich schon wieder keine Luft mehr bekomme.

Das Atmen ist doch nicht langweilig. Erst mit der Atmung (und nicht mit dem Ventilieren) beginnt das willentliche, echte Leben. Es ist der Odem, der Wind, der uns das Leben einhaucht und von den einfachen menschlichen Zwängen wie dem Ventilieren befreit – zumindest ein wenig. Und daher ist es auch die Atmung, die uns die Entspannung bringen kann.

Bewusstsein für die Arbeit schaffen, nicht als Rad im Getriebe, sondern als derjenige, der mit Überblick die Dinge voranbringt und erledigt, braucht Anspannung und Entspannung. Vor Ort im Team oder beim Kunden, aber auch Home-Office, am besten auf der heimischen Terrasse mit Blick auf die Berge und Seen.

… Und „um neue Erfahrungen zu sammeln, die den Alltag bereichern“, freue ich mich seit vielen Jahren auf meine jährliche einwöchige Motorrad-Tour in für mich noch unbekannte Gegenden Deutschlands und des Kontinents.

Ja, wir haben es schon schwer, einfach zu viel Arbeit
Die Einen könnten das, wenn sie wollten ändern, machen es aber nicht weil sie glauben ohne sie geht es nicht oder sie bekommen den Hals nicht voll.
Andere erkennen das Hamsterrad scheinbar nicht und laufen munter weiter.
Leid tun mir da die Menschen, die sich mit zwei oder mehr Jobs über Wasser halten müssen. ( Atemlos durch Tag und Nacht )
Sie können nicht anders, selbst wenn sie wollten und seltsamer Weise höre ich diese Gruppe am wenigsten klagen.

Schon Sokrates wusste: „Vor Problemen weglaufen vergrößert nur die Entfernung zur Lösung.“

Mit einem ersten, einfachen Schritt, wie dem zum Öffnen des Fensters, begibt man sich langfristig sicherlich auf den kürzeren Weg zur Entspannung.

😊

Last edited 24 Tage zuvor by Georg

Diese Weisheiten sollten unbedingt in der Burnout Prävention berücksichtigt werden.

Solche Empfehlungen zum kürzesten Weg müssen aber noch mal gut zu Ende gedacht werden: nach dem Öffnen des Fensters sind die weiteren Handlungsoptionen vielleicht die gleichen – die Ergebnisse dann aber je nach Etage unterschiedlich.

Und mindestens bei Ärzten führen Aufklärungsversäumnisse ja zu Haftungsfragen…

Wir haben es in der Hand; Sind wir positiv gestresst, empfinden wir es nicht als „Ausgelutscht“. Hier ist die Freizeit nach der Arbeit oder das Wochenende entscheidend. Ist es negativ gestresst, wird die Freizeit die Batterie nicht ausreichend füllen können. Hier hilft nur raus aus dem Hamsterrad und Tapetenwechsel.
Das Eigenartige ist, dass ein Selbstständiger evtl. mehr Arbeitet aber das „Ausgelutschte“ nicht als solches Empfindet. Oder, wie bereits in einem Kommentar aufgegriffen, Menschen die mehr als einen Job haben sind sicherlich am Rand Ihrer „Möglichkeiten“ und akzeptieren es und sprechen nicht darüber. Bemerkenswert!

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