'tschuldigung

ROT: 'tschuldigung.

WEISS: Ich warte schon seit 15 Minuten auf dich.

ROT: Reg dich ab - ich habe mich doch entschuldigt.

Schwerter zu Pflugscharen

WEISS: Du meinst im Ernst, dass du dich selbst so mir nichts, dir nichts entschuldigen kannst?

ROT: Also bitteschön noch mal: Hiermit entschuldige ich mich bei dir in aller Form für mein Zuspätkommen. – Gut so?

WEISS: Nein, nicht gut.

ROT: Was denn noch?

WEISS: Du kannst mich doch allenfalls um Entschuldigung bitten, die ich dir dann unter Umständen gewähre. Denn bei einer Schuld gibt es immer zwei: den, der an jemandem schuldig geworden ist, und den Betroffenen, der infolgedessen bei dem Schuldigen etwas gut hat.

ROT: Und wie funktioniert in dieser Konstellation eine Entschuldigung?

WEISS: Zunächst muss es ein Einverständnis darüber geben, dass es eine Schuld gibt - und wie schwer diese wiegt.

ROT: Stimmt. In Südamerika wären 15 Minuten zu spät immer noch zu früh. Der hiesige Taxifahrer dagegen lässt das Taxometer einfach laufen, so dass sich die Schuld nach 15 Minuten genau taxieren lässt. Ich zahle 15 Euro und bin anschließend schuldenfrei. Würdest du mich gegen ein frisch Gezapftes für mein Zuspätkommen entschuldigen?

WEISS: Das klingt nach einem erfrischend fairen Angebot. Damit ist die Sache für mich erledigt. - Ich hätte dir übrigens einfach auch verzeihen können.

ROT: Was ist der Unterschied?

WEISS: Während zum Entschuldigen immer zwei gehören, reicht beim Verzeihen einer. Ich hätte dir verzeihen können, ohne dass du es gemerkt hättest, indem ich von deinem Zuspätkommen und meiner empfundenen Langeweile keinerlei Aufhebens gemacht hätte.

ROT: Andererseits könntest du dich auch, wenn ich mich uneinsichtig zeige, bei unserer nächsten Verabredung einfach rächen und mich 20 Minuten warten lassen.

WEISS: Christlich gesprochen sind Entschuldigung und Rache Altes Testament: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Verzeihen dagegen ist Neues Testament: Ein einseitiges, liebevolles Heraustreten und Herausnehmen der Schuld aus dem verhängnisvollen Kreis von Schuld und Sühne durch bedingungsloses Vergeben und Vergessen. Aber in deinem Fall ist mir die Entschuldigung dann doch lieber. 

ROT: Na denn Prost!

Lasst's Euch schmecken! (Gebt gerne Euren Senf dazu.)
LG Ralf & Thomas

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Die deutsche Infrastruktur ist halt nicht mehr so belastbar und zuverlässig – da kann es schon mal Verspätungen geben. Daher hat die deutsche Akademiker Sitte des cum tempore doch weiter ihre Berechtigung. ?

„.. in deinem Fall ist mir die Entschuldigung dann doch lieber.“ Warum kommt denn für Euch eine christliche und „liebevolle“ Vergebung nicht in Frage?

Sind wir nur noch einfache Krämerseelen – ein ewiges Schachern – quid pro quo? Und wenn wir auch sonst nichts mehr im Angebot haben – dann doch wenigsten noch einen Schuldschein?

??

Hier fällt mir einSpruch von John F. Kennedy ein: „Verzeih Deinen Feinden, aber vergiss nie Ihre Namen!“

Nicht so ganz christlich, aber schön einprägsam.

Beste Grüße Martin Steidl

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