Alle Zeit muss durch den Augenblick gehen

ROT: Ich hasse es zu warten! Am meisten, wenn mein Akku leer ist. Wenn der Zug wieder einmal nicht kommt, es gerade dann kalt und windig ist und selbstverständlich in Strömen regnet.

WEISS: Ja, in diesen Augenblicken hat man nichts: die Zukunft ist noch nicht da, die Vergangenheit längst vergangen und die Gegenwart ist maximal leer. Das ist das pure Alleinsein mit sich selbst. Existenzialismus in Reinform.

ROT: Eben. Kein Wunder, dass die Leute ihre Smartphones zücken und sich in virtuelle Gesellschaft flüchten.

WEISS: Andererseits gibt es auch kulturell erwünschte Wartezeiten...

ROT: ...zum Beispiel die Adventszeit?

WEISS: Ja - wenn sich die Gläubigen bewusst in Erwartung üben und sich auf das kommende Ereignis vorbereiten. Dabei versuchen sie sich meditativ von allen Störungen des Augenblicks frei zu machen, um sich für das Erwartete zu rüsten.

Alle Zeit muss durch den Augenblick gehen

ROT: Ich kenne das eher so: Verliebt kann ich mich auf die Forderungen des Moments nicht konzentrieren, weil ich mir die abwesende Geliebte mit der ganzen Macht meiner Vorstellungskraft vergegenwärtige und ihr Kommen nicht abwarten kann. Übrigens für mich eine höchst lustvolle Passionszeit.

WEISS: Dann fehlt nach dem Himmel-hochjauchzen nur noch die Hölle der Prokrastination: auch ein Warteverhalten, bei dem allerdings das unweigerlich kommende Ereignis, zum Beispiel eine Prüfung, gefürchtet und ausgeblendet wird und in der Gegenwart zu Untätigkeit führt.

ROT: Aber was soll ich deiner Meinung nach nun tun, wenn der Zug wieder einmal nicht kommt?

WEISS: Dir das Einfahren des Zuges lustvoll vorzustellen wäre sicherlich Zeitverschwendung.

ROT: Und mich vor den selben zu werfen, weil ich mir während der Wartezeit der Sinnlosigkeit und Leere meines Daseins bewusst geworden bin, empfiehlst Du doch wohl auch nicht.

WEISS: Deine Wartezeit muss, wie alle Zeit, durch den Augenblick gehen. Diesen Moment kannst du mit Vergangenem, mit Zukünftigem oder mit reiner Gegenwart füllen. Auf die Fülle kommt es dabei an. Du hast die Wahl:

Past is history, tomorrow is mystery and today is a gift.
That's why it is called present.

Lasst's Euch schmecken! (Gebt gerne Euren Senf dazu.)
LG Ralf & Thomas

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Viele verbringen ihr ganzes Leben mit dem Warten auf Glück und warten auf die richtigen Lottozahlen, die Erbschaft – oder das Jawort.

Ist umgekehrt das Warten immer gleichbedeutend mit unglücklich sein? Denn es läuft dann offensichtlich nicht optimal, sonst müssten wir ja nicht warten.

Ist Wartezeit also immer Zeitverschwendung? Oder gibt einem das Warten endlich genug Zeit für die Erkenntnis, dass das worauf wir gerade warten, die eigentliche Zeitverschwendung ist?

Gefährdet unkontrolliertes Warten am Ende sogar das Gemeinwohl? Sagen die Politiker nicht immer: Hauptsache Pommes und Spiele für das Volk – sonst kommt es beim Warten noch auf eigene Gedanken.

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Von wem stammt dieses wunderbare Schlusszitat?

Das Zitat wird allgemein Bil Keane, dem Betreiber eines Wanderzirkus, zugeschrieben.

Ich möchte einfach nur danke sagen.

Bitte weiter so.

Viele Grüsse

Udo

Danke dafür, lieber Udo? Werden wir, versprochen!

Gute Zeiten, schlechte Zeiten.
Der Übergang von der Einen zur Anderen wird beschrieben mit:
Das Blatt wendet sich oder der Wind dreht sich.
Diese Übergangszeit ist eventuell Wartezeit die wir, je nachdem
wo hin das Blatt sich gerade wendet, mal positiv oder negativ empfinden.

nö, von jo
Das Blatt das sich wendet und der Wind der sich dreht,
natürlich nicht.

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