Da guckst Du – Mann, bin ich stolz

ROT: Guck mal!

WEISS: Tolle Uhr - wo hast du die denn gefunden?

ROT: Weder gefunden noch geschenkt noch geklaut - das Geschmeide hab ich mir verdient!

Hochmut kommt vor dem Fall

WEISS: Und darauf bist Du jetzt stolz?

ROT: Und wie! Ist das etwa verboten?

WEISS: Ja nun - die Kirchenväter haben weiland im Stolz die erste der sieben Todsünden erkannt.

ROT: Das Leben lang in Sack und Asche gehen - das hätten die Herrschaften wohl gerne. Leistung muss sich lohnen - und am Zahltag ist das dazu gehörige Gefühl: Stolz! Den lasse ich mir nicht nehmen.

WEISS: Einverstanden: Stolz ist ein starkes positives Gefühl vom Wert der eigenen Person. Insofern wäre Stolz für ein gesundes Selbstbewusstsein, das auf eigenen Füßen steht, konstituierend.

ROT: Ah- darum hat die Kirche mit dem Stolz per se ein Problem: Der Stolze spürt das Bedürfnis nach Erlösung nicht zuallererst - wodurch das transzendentale Geschäftsmodell infrage gestellt ist.

WEISS: Allerdings läuft der Stolze in Gefahr, dass bei seinem positiven Selbstbild Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinander klaffen. Zudem geht die Hochstimmung gern mit der Geringschätzung des Gegenübers einher. Zwischen gesundem Stolz und abstoßendem Hochmut verläuft keine klare Grenze.

ROT: Ja, ja - der Hochmut kommt vor dem Fall.

WEISS: Vielleicht sollte man aber noch differenzieren: Stolz gründet entweder auf eigener Leistung, oder auf Aneignung von Leistung aufgrund von Zugehörigkeit.

ROT: Du meinst, wenn ich selbst schon nichts zustande bringe, kann ich immer noch stolz darauf sein, Deutscher zu sein?

WEISS: Das wäre dann die krasse, kahlköpfige Variante. Aber natürlich gibt es für den Menschen als Zoon Politikon auch eine positive Selbstwahrnehmung als Teil einer Gruppe, die sich in dem Stolz ausdrückt dazuzugehören. Aber auch hier ist die Grenze zu ausgrenzendem und abwertendem Hochmut schmal.

ROT: Ein bisschen Stolz ist also ok. Dann behalte ich die Uhr.....

Lasst's Euch schmecken! (Gebt gerne Euren Senf dazu.)
LG Ralf & Thomas

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Ja, ja – wir sind halt Kinder unserer Zeit: Materialistisch, Leistungs- und Vertriebs-orientiert: Leistung wird belohnt in dem man sich etwas Materielles leistet und dann zur Schau stellt? Der ewige Kreislauf des Kapitalismus.

Dort wird das Menschliche jedoch höchstens als Aufwand in Form von PS (Anzahl Personen-Stunden) berücksichtigt. Und Ihr legt Euch nun diese Geißel der Menschheit in Form eines Zeitmessers nicht nur freiwillig selbst an – Ihr präsentiert die neue Fessel an Eurem Handgelenk sogar mit vor Stolz geschwellter Brust? Das ist doch pervers – oder?

Verrät die Redewendung mit der geschwellten Brust nicht sowieso den Ursprung von Stolz: Warum macht sich jemand vor anderen größer als er ist? Aus Mangel an Selbstbewusstsein? Warum reicht nicht die eigene Freude für sich selbst?

Gemäß Peter Ustinov geht es immer nur um Marketing: „Ein englischer Sportler ist stolz darauf ein guter Verlierer zu sein – damit die Gegner sich schuldig fühlen, wenn sie gewinnen.“

Meine Oma hat immer gesagt: jeder soll nach seiner eigenen Fasson glücklich werden. Und da hat sie recht. Wenn wir miteinander großzügiger und entspannter umgehen, kann jeder stolz sein wie er will – mit gutem Gewissen oder wenn es übertrieben ist, reagiert niemand drauf. Was für eine schöne Welt ?

In Südafrika, wo ich gearbeitet und ein Büro hatte, habe ich von den Südafrikanern gelernt/gehört: Ihr Deutsche habt die Uhr, wir Südafrikaner haben die Zeit!

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